Über das Hundehalterverhaltenstraining (Teil 2; Beispiele aus dem Hundehalteralltag)

Hallo zusammen,

In Teil 1 haben wir uns die psychologischen Wirkunsweisen betrachtet, die sich im täglichen Leben von Hundebesitzer zeigen können. Hier der Link zu Teil 1:

https://www.psychotherapie-schuster.de/ueber-das-hundehaltertraining-teil-1-psychologische-erlaeuterungen/

Sehen wir uns jetzt einige Beispiele dazu an und betrachten die psychologischen Einflüsse, sowie das entsprechende Training zur möglichen Verhaltensverbesserung.

Viel Spaß beim Lesen.

Beispiel 1 (Auf dem Hundeplatz):

Herr und Frau Mayer (wir nennen sie jetzt einfach so), sind regelmäßig am Samstag mit ihrem Hund auf dem Platz der AHS beim Gruppenauslauf. Da sie beim Spazierengehen mit ihrem Hund schon einige „Hundeszenen“ erlebten, u.a. mit lautem bellen und auch beißen, wirken Hr. und Fr. Mayer ziemlich angespannt. Besonders bei Fr. Mayer macht sich die körperliche Anspannung durch ihre hochgezogenen Schultern bemerkbar, sie lächelt sehr gequält und hat einen unruhigen Blick. Auch Hr. Mayer hat ein stetiges „wachsames Auge“.

Interessanterweise rührt sich ihr Hund nicht von ihrer Seite und wirkt ebenfalls sehr nervös (= Rosenthal-Effekt; In diesem Fall: Eine negative Erwartung fördert eine negative Entwicklung). Durch ihre Mimik, Gestik, Haltung, Geruch usw. geben sie ihrem Hund das Signal, dass etwas nicht stimmt.

In ihrer inneren Einstellung gehen sie stets davon aus, dass gleich etwas passieren wird. Jedes Mal wenn sich ihrem Hund ein anderer Hund nähert beginnt ihr Hund zu knurren. Das wiederum bestätigt Hr.u.Fr.Mayer in ihrer Erwartung (= Selbsterfüllende Prophezeiung). Sie bemerken auch nicht, dass sich der ein oder andere Hund, auf sichtbar freundliche, neugierige Art und Weise ihrem Hund nähert. Denn alles was sie wahrnehmen können, ist dass ihr Hund nervös regiert (= Selektive Wahrnehmung und Bestätigungsfehler).

Fr. Mayer betont immer wieder, wie sie schon einige Entspannungsübungen und Atemtechniken erlernt habe, aber irgendwie scheinen diese bei ihr nicht zu funktionieren (=Paradoxe Wirkung des Appells).

Im Gespräch mit Hr.u.Fr. Mayer zeige ich ihnen einige Möglichkeiten aus dem Hundehaltertraining (dazu später mehr im Teil 3: Lösungsansätze). Unter anderem zeige ich ihnen eine Entspannungsmöglichkeit aus der Progressiven Muskelentspannung, Atemtechniken und eine Zielvisualisierungstechnik (sich selbst von oben als „entspanntes Ich“ beobachtend). Dabei habe ich sie gebeten, sich ihr entspanntes Ich in ihrer Vorstellung auf eine Plakatwand zu projizieren. Wohlgemerkt geschah dies alles, während wir auf dem Hundeplatz unsere Kreise drehten und stetig am Laufen waren.

Was beide nicht bemerkten war die Tatsache, dass sich ihr Hund während den Übungen von ihnen wegbewegte und mit den anderen Hunden unterwegs war. Ab und zu kam ihr Hund zurück, lief an uns vorbei (damit hat er sich z.B. vergewissert, dass noch alles in Ordnung ist) und lief wieder zu den anderen Hunden zurück. Die Trainer der AHS bestätigten mir, dass dies das erste Mal war, dass sich der Hund von Hr.u.Fr.Mayer von ihnen wegbewegt hatte. Durch die Übungen vergaßen „die Mayer´s“ ihre selektive Wahrnehmung, ihre selbsterfüllende Prophezeiung blieb aus und es ergaben sich keine Bestätigungsfehler. Sie waren nicht mehr auf das konzentriert was geschehen könnte, sondern sie waren entspannt und konzentriert in einer angenehmen Vorstellung wie es sein sollte. Hoch konzentriert und dabei entspannt. Diese Entspannung hatte sich auf ihren Hund übertragen (Geruch, Mimik etc.; Rosenthal-Effekt: Eine positive Erwartung fördert eine positive Entwicklung).

Beispiel 2 (Hundebegegnungen an der Leine):

Frau K. (fiktiver Name) geht mit ihrem Hund spazieren. Dabei ist sie sehr unsicher, da es in letzter Zeit zu einigen unschönen Hundebegegnungen gekommen ist. Sie kaut nervös auf ihren Lippen, schaut sich ängstlich um ob der böse Nachbarhund in der Nähe ist (ja der böse Nachbarhund muss immer herhalten) und ist auch körperlich sehr verkrampft (was sie natürlich nicht bemerkt, außer dass sie sich wundert weshalb ihr Nacken und ihre Schultern so schmerzen).

Durch den „Rosenthal-Effekt“, durch ihren Angstgeruch und zusätzlicher verkrampfter Haltung und ängstlicher Stimme, wird ihr Hund ebenfalls nicht entspannt sein, sondern ist sichtlich nervös und aufgeregt.

Im nächsten Moment kommt der Nachbar mit seinem Hund um die Ecke. Die „Selbsterfüllende Prophezeiung“ (Negative Erwartung) sagt ihr: „Bestimmt geht´s jetzt gleich los, hoffentlich passiert nichts“. Ihr Hund knurrt jetzt schon.

Knurrt ihr Hund weil er den Nachbarhund nicht mag (was natürlich möglich ist), oder riecht, hört, sieht und übernimmt er die Nervosität und Anspannung seiner „Alphawölfin“ und geht deshalb auf Konfrontation (Schutz-, Angstverhalten)?

Als der Nachbar und Frau K. mit ihren Hunden aneinander vorbeigehen, knurrt auch der Nachbarhund. Beide Hunde knurren, bellen und ziehen jetzt an der Leine.

Confirmation Bias – Bestätigungsfehler/Selektive Wahrnehmung“ -> Fr. K. bemerkt nur das knurren, bellen und ziehen, erkennt aber nicht das sonst nichts weiter geschieht. Jeder geht mit seinen Hunden weiter. Nur das Negative wird registriert. Beide haben geknurrt und gebellt.

„Zum Glück ist nicht noch mehr passiert“ und schon laufen die Bilder ab, was noch alles möglich gewesen wäre und sein wird.

Das aber sonst alles gut war, sogar der Nachbar freundlich gegrüßt hat, dass der Hund von Fr. K. (der lediglich kurz gebellt hat) sie danach angeschaut hat, um sich eine Bestätigung, Aufmerksamkeit, Sicherheit etc. abzuholen, all das hat Fr. K. nicht bemerkt.

Ihre „Selbsterfüllende Prophezeiung“ (mit Hund Gassi gehen bedeutet Stress) wird erfüllt, ihr „Confirmation Bias – Bestätigungsfehler/Selektive Wahrnehmung“ bestätigt ihr die negativen Wahrnehmungen. Und ihr Vorhaben „Ich wende die Atemtechnik aus dem neuesten Atemtherapiebuch an“ hat auch nicht gerade funktioniert. Ganz im Gegenteil, sie hat sich sogar noch verspannter gefühlt (= Paradoxe Wirkung des Appells).

Vielleicht war auch ihre Zielformulierung nicht die beste: „Ich darf nicht so verkrampft sein“.

Wie sich Frau K. wohl beim nächsten Gassi gehen fühlen wird?

Und wie würde Fr.K. die Situation bewerten, wenn sie dabei entspannt und wertungsfrei wäre, mit dem optimalen Zielbild eines möglichen positiven Ablaufs vor ihren Augen?

Wie würde sich die Situation anfühlen, mit der Vorstellung des bestmöglichen, oder schlechtesten, oder wahrscheinlichsten Ablauf des Geschehens, bei jederzeit abrufbarer Handlungsfähigkeit durch mentale und körperliche Entspannung?

Unabhängig davon, ob es dann auch tatsächlich so eintritt.

Auch bei Fr.K. zeigte das Hundehaltertraining seine Wirkung. Am Ende der zweiten Sitzung kam es zu einer Situation, in der sie von 3 bellenden Hunden umringt, mit ihrem Hund vollkommen entspannt und hochkonzentriert (auf sich und ihren Hund) einfach weitergegangen ist. Ihr Hund war dabei ebenfalls nur auf Fr.K. konzentriert und zeigte sich vollkommen ungerührt. Nachdem wir die Situation hinter uns hatten, schaute ihr Hund Fr.K. erwartungsvoll an und sie bestätigte ihm durch Zuspruch seine gute Leistung (nicht gebellt, nicht geknurrt, nicht an der Leine gezogen = ruhig und gelassen). Beide, Fr. K. und ihr Hund, wirkten am Ende des Termins sehr entspannt und zufrieden.

Natürlich sind die beiden erwähnten Fälle absolute Vorzeigefälle, was nicht bedeuten soll, dass sich immer und jederzeit so schnell eine Lösung herbeiführen lässt.

Die Frage zu den beiden Beispielen sollte also lauten:

Welche Reaktion erwarten wir, wenn wir uns denken……

„Hoffentlich passiert heute nichts.“

„Vielleicht gehen wir heute besser einen anderen Weg.“

„Hoffentlich beißt der nicht.“

„Da kommt schon wieder der Nachbar mit seinem aggressiven Hund.“

Welche Reaktion erwarten wir, wenn wir…..

verkrampft sind, eine nervöse Stimme haben, uns verspannt bewegen, vielleicht sogar „innerlich“ zittern vor Anspannung, mit sorgenvollem Blick die Umgebung inspizieren usw.

Wie wahrscheinlich ist es, dass bei einer solchen Denk- und Verhaltensweise sowohl Hund als auch Besitzer entspannt sind?

Sehr wahrscheinlich kommen beide in Lauerstellung, in „Hab Acht“ Position, sind nervös und ängstlich, in Angriffs-/Verteidigungsstimmung usw.

Und das gilt nicht nur für Mensch-Hund Beziehungen.

Auch in Situationen wie Prüfungen, Bewerbungsgespräche, Partnerschaft usw. ist es hilfreich, sich bereits auf der mentalen Ebene einen optimalen Ablauf, durch Überwindung der gegebenen Hindernisse, vorzustellen. (= Konzentrationsübung, Mentaltraining, Vorstellungsübung etc.).

Natürlich ist nicht alles positiv nur weil wir denken es wird schon gut werden.

„Es ist alles gut.“

Das ist eine Lüge und unser aufmerksamer innerer Beobachter weiß das genau.

Dazu einige Studien (Kurzform):

In einer Studie von Daniel Wegner (Psychologe) sollten Studienteilnehmer an schmerzhafte Situation denken, gleichzeitig nicht traurig sein -> Am Ende ging es den Probanden schlechter als der Vergleichsgruppe denen nicht erklärt wurde wie sie sich fühlen sollten.

Wenn ich weiß, dass etwas schmerzhaft ist (egal ob psychisch oder physisch), reicht es nicht zu sagen „das wird schon“ oder „es ist nicht schmerzhaft“. Ich benötige eine Alternative, eine mögliche positive Handlungsweise um mit diesem Schmerz umzugehen.

In einer anderen Studie von Joanne Wood (Psychologin) sollten Studenten den Satz aufsagen „Ich bin eine liebenswerte Person“ -> mit jeder Wiederholung sank deren Selbstbewusstsein.

Das Gehirn sammelt unermüdlich Gegenargumente warum sie nicht so liebenswert sind.

-> schlechter fühlen durch pos. Denken.

Und noch eine Studie der Psychologin Professor Gabriele Oettingen: Frauen die abnehmen wollen und einen schlanken Körper visualisieren (Vorstellung schlank zu sein), erreichen seltener das Ziel als die Vergleichsgruppe (ohne Vorstellung eines schlanken Körpers). Wenn wir uns positive Ereignis ausmalen, glaubt ein Teil unseres Gehirns, wir wären bereits am Ende des Weges angekommen -> Als Folge kann die Motivation sinken.

Besser ist es sich zu fragen, welche Hindernisse im Weg stehen könnten um mein Ziel zu erreichen und wie ich damit umgehen möchte (= Zielorientiertes Handeln).

Wenn ich mögliche Hindernisse erkenne, visualisiere, bewusst mache und mir dabei reale Möglichkeiten der Bewältigung vorstelle, wie ich die Hindernisse löse, dann bekomme ich eine Vorstellung von einer möglichen, zielorientierten Handlungsweise, die mich zum Erfolg führen kann.

In beiden Fällen (Familie Mayer und Fr.K.) ist das Ziel, dass sich die Hundehalter entspannen lernen, eine zielorientierte Vorstellung bekommen wie sie die Situation meistern werden und sich diese Einstellung und Entspannung im bestmöglichen Fall auf den Hund überträgt.

Zusammenfassend können wir festhalten, dass durch negatives Denken und negative Erwartungen ein negativer Ablauf eines Ereignisses ausgelöst werden kann.

Um ein zielorientiertes Handeln, ein positives Handeln, ein erwünschtes Verhalten zu fördern, um Möglichkeiten der Verbesserung wahrzunehmen, um in der jeweiligen Situation eine entspannte und positive Reaktion anzuwenden, benötigen wir einen Plan.

Und diesen Plan schauen wir uns teilweise und stichpunktartig in Teil 3 Lösungsansätze an.

Über das Hundehalterverhaltenstraining; Teil 3: Lösungsansätze/Verhaltenstraining

Ich bedanke mich für euer Interesse beim Lesen und wünsche euch fröhliches, erfolgreiches und herzliches Schaffen. Habt Spaß und Freude an euren Ideen, seit kreativ und genießt euer Leben.

Euer Therapeut

Markus Schuster